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Pressemitteilung

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Sozialgericht Oldenburg

Datum: 29. Januar 2014

Pressemitteilung:

„Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ kein schlüssiges Konzept für die Bemessung der Unterkunftskosten

Das Sozialgericht Oldenburg hat in einem Urteil vom Januar 2015 (Az.: S 42 AS 479/12) festgestellt, dass die Bemessung der Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Empfänger durch das Jobcenter Delmenhorst für Bewilligungszeiträume ab Januar 2012 nicht auf einem „schlüssigen“ Konzept beruht.

Der Kläger des vom Sozialgericht Oldenburg entschiedenen Verfahrens bewohnte in der streitigen Zeit von Januar bis April 2012 eine Wohnung in Delmenhorst, die 72 qm groß war. Das Jobcenter hatte ihm vorübergehend den Verbleib in dieser Wohnung zugebilligt, nachdem kurz zuvor seine Frau, mit der er die Wohnung bewohnt hatte, verstorben war. Er zahlte für diese Wohnung eine Grundmiete von 390,- € sowie 75,- € Nebenkosten und 55,- € Heizkostenvorschuss. Das Jobcenter setzte die Kosten der Unterkunft auf 421,80 € monatlich (Miete) und 55,- € Heizkosten fest. Dagegen wandte der Kläger sich an das Sozialgericht Oldenburg, das ihm mit dem Urteil einen Anspruch auf die tatsächlich von ihm aufgewendeten Kosten der Unterkunft zusprach. Zur Begründung seines Urteiles stellte das Sozialgericht Oldenburg fest, dass für die Berechnung der angemessenen Kosten der Unterkunft das vom Jobcenter Delmenhorst entwickelte Konzept nicht zugrunde gelegt werden dürfe. Das Jobcenter habe als Datengrundlage für sein Konzept zur Berechnung der Kosten der Unterkunft die Daten des qualifizierten Mietspiegels der Stadt Delmenhorst zugrunde gelegt, der auf einer Datenerhebung aus dem Jahr 2008 beruhe. Nach Auffassung des Sozialgerichts wäre das Jobcenter jedoch verpflichtet gewesen, regelmäßig zu überprüfen, ob die Zahlen des Konzeptes die soziale Wirklichkeit am Wohnungsmarkt von Delmenhorst noch zeit- und realitätsgerecht abbilden. Das Gericht orientierte sich dabei an der für kommunale Satzungsgeber geltenden 2-Jahres Frist. Zwischen 2008 und 2012 habe eine solche Überprüfung durch das Jobcenter jedoch nicht stattgefunden, so dass die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht mehr anhand des Konzeptes des Jobcenters festgestellt werden dürften. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse in einem solchen Fall die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft auf der Basis der Wohngeldtabelle mit einem Sicherheitsaufschlag von 10 Prozent ermittelt werden. Nach dieser Berechnungsmethode habe der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der tatsächlich entstandenen Kosten der Unterkunft.


Das Sozialgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil die Frage der Überprüfung und regelmäßigen Fortschreibung des „Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ durch das Jobcenter höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

S 42 AS 479/12

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Sozialgericht Oldenburg

Datum: 11. Februar 2014

Pressemitteilung:

Brille als Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung

Das Sozialgericht Oldenburg hat in einem Urteil von Januar 2014 einer jungen Frau mit geistiger und körperlicher Behinderung die Kostenerstattung für eine Brille in einem Klageverfahren gegen die Stadt Oldenburg als Eingliederungshilfe zugesprochen.

Die 1984 geborene Klägerin ist geistig und körperlich schwerbehindert und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Das Sozialamt der Stadt Oldenburg lehnte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für eine Brille ab. Das Sozialamt vertrat die Auffassung, es könne im Rahmen der Sozialhilfe die Kosten für eine Brille nicht übernehmen, weil Brillen grundsätzlich als Krankenhilfe in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien. Diese Einschränkung gelte auch im Rahmen der Sozialhilfe.

Die Klägerin hatte mit ihrer Klage gegen diese Entscheidung der Stadt Oldenburg Erfolg. Nach Auffassung der 22. Kammer des Sozialgerichts Oldenburg kann die Klägerin die Kosten für die von ihr benötigte Brille zwar nicht als Krankenhilfe aber als Eingliederungshilfe von der Stadt Oldenburg beanspruchen. Die Klägerin sei nicht nur sehbehindert sondern auch geistig und körperlich schwerbehindert und könne aufgrund ihrer Behinderungen nur sehr eingeschränkt am Leben in der Gemeinschaft teilhaben. Es sei jedoch besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, die Folgen einer Behinderung zu mindern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Um dieses zu erreichen, benötige die Klägerin aufgrund ihrer schweren Behinderungen nicht nur zur Arbeit in der Werkstatt für Behinderte, sondern auch sonst zur Teilhaben am gesellschaftlichen Leben eine Brille. Die Brille müsse der Klägerin deshalb im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gewährt werden, obwohl Brillen sonst im Recht der Sozialhilfe wie auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen seien.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Sozialgericht Oldenburg die Berufung gegen diese Entscheidung zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

S 22 SO 99/13

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Sozialgericht Oldenburg

Datum: 15. August 2013

Pressemitteilung:

Die 21. Kammer des Sozialgerichts Oldenburg hat mit Urteil vom 12.04.2013 die Stadt Oldenburg als zuständigen Sozialhilfeträger abschließend verurteilt, die Kosten für eine ambulante Betreuung des schwerbehinderten Klägers in einer Wohngemeinschaft rückwirkend ab dessen Einzug im Februar 2007 vollständig zu übernehmen, obwohl diese Kosten monatlich mehr als 1000,00 € höher sind, als die Kosten einer Betreuung in einer stationären Einrichtung.

Der heute 46 jährige Kläger, der aufgrund eines frühkindlichen Hirnschadens körperlich und geistig behindert ist, arbeitet seit mehr als 20 Jahren in einer Behindertenwerkstatt und lebte zunächst lange Zeit bei seinen Eltern. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 2006 wurde seitens seiner Familie die Idee entwickelt, dass er zukünftig gemeinsam mit drei anderen Behinderten in einer neu geschaffenen Wohngruppe für behinderte Menschen betreut werden könnte. Seine Anträge auf Übernahme der Kosten für die Betreuung in dieser Wohngemeinschaft lehnte die Stadt Oldenburg als zuständiger Sozialhilfeträger seit 2007 allerdings stets ab, wobei sie zur Begründung ausführte, dass die ambulante Betreuung mit erheblichen Mehrkosten i.S.d. § 13 des 12. Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) verbunden sei. Dem Kläger sei zumutbar in einem Heim stationär untergebracht zu werden.

Am 26. Februar 2007 zog der Kläger in die betreffende Vier-Personen-Wohngemeinschaft ein, wo er seit dem durchgängig lebt. Wegen der ungedeckten Kosten wurden beim Sozialgericht Oldenburg seit 2007 mehr als zehn Eil- und Klageverfahren geführt. Eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten gelang während der gesamten Zeit nicht. Bereits mit Beschluss vom 15. Juni 2007 verpflichtete das Sozialgericht die Stadt Oldenburg in einem Eilverfahren, die strittigen Kosten für die ersten Monate nach Einzug des Klägers in die Wohngemeinschaft im Jahre 2007 vorläufig zu übernehmen, weil die Stadt Oldenburg nicht in der Lage gewesen sei, einen für den Kläger zeitgleich verfügbaren Heimplatz nachzuweisen. Als ein solcher dann ab Oktober 2007 zur Verfügung stand, lehnte die Stadt Oldenburg erneut die Kostenübernahme mit Hinweis auf die jetzt mögliche kostengünstigere Unterbringung in der stationären Einrichtung ab. Der Kläger blieb jedoch weiter in der Wohngemeinschaft und verlangte die Übernahme der Betreuungskosten durch die Stadt Oldenburg. Ein entsprechendes Eilverfahren bis hin zum Landessozialgericht hatte keinen Erfolg. Die abschließende Klärung musste daher in dem jetzt entschieden Klageverfahren erfolgen.

Mit Urteil vom 12. April 2013 hat das Sozialgericht Oldenburg den gesamten Zeitraum seit 2007 abschließend überprüft und nach umfangreicher Aufklärung des komplexen Falles insbesondere durch ein medizinisches Gutachten im Ergebnis in vollem Umfang zugunsten des Klägers entschieden. Aus dem Gutachten ergab sich, dass es für den Kläger nicht mehr zumutbar sei, aus seiner bisherigen Wohnsituation herausgenommen zu werden. Der Kläger habe in der Wohngemeinschaft in kurzer Zeit sehr gute Entwicklungsfortschritte gemacht und der Wechsel in die stationäre Betreuung ab Oktober 2007 hätte aller Voraussicht nach sehr negative Folgen für den Kläger gehabt. Die beste Wohnform sei für den Kläger sowohl in der Vergangenheit als auch heute die ambulante Wohnbetreuung. Der Auszug aus der Wohngemeinschaft hätte für den Kläger den Verlust seines Zuhauses und der wichtigsten Bezugspersonen bedeutet. Auf dieser Grundlage hat das Sozialgericht Oldenburg die Stadt Oldenburg verurteilt, die vollständigen Kosten für die ambulante Wohnbetreuung rückwirkend seit Februar 2007 zu übernehmen. Es stehe auf Grund des Gutachtens fest, dass die Unterbringung in der stationären Einrichtung für den Kläger unzumutbar sei. Auf die Mehrkosten durch diese Unterbringungsform komme es nicht an, weil die Prüfung der Zumutbarkeit Vorrang vor dem Mehrkostenvergleich habe.

Den Einwand der Stadt Oldenburg, dass der Kläger durch seinen Einzug in die Wohngemeinschaft und die Vielzahl von Gerichtsverfahren „Fakten“ geschaffen habe, wies das Gericht in dem Urteil entschieden zurück. Der Kläger habe sich nicht etwa eine Rechtsposition „erkämpft“, die ihm nach dem Gesetz nicht zustehe, sondern, wie sich bei eingehender Aufklärung im Klageverfahren nun ergeben habe, den Anspruch auf Übernahme der Kosten für die ambulante Wohnbetreuung schon seit vielen Jahren gehabt. Letztlich sei der schwerbehinderte Kläger einem erhebliche Kostendruck ausgesetzt gewesen. Erst aufgrund der vielen Gerichtsverfahren habe die Stadt Oldenburg dann Leistungen vorläufig erbracht. Auch die anderen behinderten Mitbewohner der Wohngemeinschaft hätten wiederholt gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Zum Zeitpunkt des ersten Einzuges in die Wohngemeinschaft sei zwar die stationäre Unterbringung für den Kläger gleich geeignet gewesen, es habe ein entsprechender Platz aber nicht zur Verfügung gestanden und die Stadt Oldenburg habe einen solchen auch nicht nachweisen können. Auch wenn später ein entsprechender Platz in einer stationären Einrichtung zur Verfügung gestanden habe, sei dem Kläger ein Umzug nunmehr aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar, sodass die Mehrkosten auch ab diesem Zeitpunkt zu übernehmen seien.

Das Urteil ist rechtskräftig (S 21 SO 15/08)

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